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Mittwoch, 21. Februar 2024

Toxische Facebookgruppen und Info-Überfluss






Ganz oft dachte ich: "Wie übergriffig benehmen sich die Leute in den Gruppen?!"


Als ich vor etwa 4 Jahren, während der Corona-Zeit, meine Diagnose Lipödem nach über 13 Jahren erhalten habe, war das für mich ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte mich darauf vorbereitet, gelesen, Symptome recherchiert und trotzdem hat es mir die ersten Tage den Boden unter den Füßen weggezogen. Es kamen ganz viele Sachen wieder hoch aus meiner Schulzeit mit Mobbing und den vielen Sprüchen.


Für mich war es in dem Augenblick ein: Ich habe eine Krankheit und die Leute haben sich über einen kranken Menschen lustig gemacht. Ich habe einen fehlerhaften Genpool.


Ich habe ganz viel Hilflosigkeit gefühlt, Überforderung und mein erster Arzt war zudem auch sehr herablassend gewesen, der mir Dinge unterstellt hat, die nicht gestimmt haben, der meine Fragen sehr schnell abgewunken hat und meinte, er will das nicht hören, weil ich reagiere ja nur auf seine Aussage und ich soll das erstmal so stehen lassen.
Das war alles nicht besonders ermutigend für mich. Ich bin damals mit Tränen in den Augen aus der Praxis gegangen, habe ich sehr unwohl gefühlt und wollte mich nur noch verkriechen.
Für mich waren da starke Horrorgedanken dabei und ich war im Vorfeld schon auf Selbsthilfegruppen und Lipödem Gruppen in Facebook gestoßen, wo groß geschrieben wurde, wir halten zusammen etc.pp.



Also schrieb ich in einer Gruppe, dass ich die Diagnose erhalten habe und wollte wissen, wie andere sich damit gefühlt haben, wie sie damit umgegangen sind und wie mein Termin gelaufen war.
Ich hatte das Gefühl keine Frau mehr zu sein, mich durch die Bestrumpfung verstecken zu müssen (so war meine Wahrnehmung nach dem Termin und wie der Arzt es suggeriert hatte). Ich hatte auch bisher nur einmal ein Sanitätshaus betreten müssen in meiner alten Heimatstadt, als ich einen Benderriss gehabt hatte. Ich erinnere mich an einen alten Laden, etwas spärlich beleuchtet, klein, eng und an den dicken Stützstrumpf, den ich damals bekommen habe, an die Strümpfe meiner Oma, die Krampfadern hatte (und vermutlich auch Lipödem). Das waren keine schönen Erinnerungen und machte meine Angst eher schlimmer.

Wie immer bei solchen Sachen, wird von der eigentlichen Frage schnell abgewichen und sich auf anderes gestürzt.
Es ging eher die Frage los, was ich für Sport mache und nicht darum, wie ging es euch mit der Diagnose. Teils bekam ich schnippische Antworten. Krönchen richten, weiter machen. Es gibt schlimmeres. Ich soll zum Therapeuten, wenn mein Selbstbewusstsein so erschüttert wird.


Ich war sauer und auch schockiert, wie schnippisch, herablassend und frech geschrieben wurde. Alle reden davon, wir sitzen im selben im Boot und sollten zusammen halten, aber wenn man sich damit schlecht fühlt und in ein Loch fällt, darf man das nicht.


Es ist mir unverständlich, wieso einige die Empathie eines Steins haben und anderen das Recht absprechen sich schlecht fühlen zu dürfen. Sie können nicht akzeptieren, dass einem nicht die Sonne aus dem Arsch scheint und natürlich das Totschlagargument schlechthin: Es gibt schlimmeres!
Warum kommen die Leute einen immer mit: Es geht schlimmer.




Wenn ich etwas Esse und mir geht es danach schlecht, sagt doch auch keiner: Hei hör auf zu jammern über Bauchschmerzen. Kinder in Afrika hungern.


Ich habe dann irgendwann den Post gelöscht oder stumm gestellt. Ich weiß es nicht mehr. Ich war dann nur noch stiller Mitleser und bin dann auch irgendwann raus gegangen, weil es mir zu toxisch wurde. Es war ein zu viel: Alles ist so toll und das Leben mit der Diagnose so viel besser-Schischi. Auch wurden dann nur positive Dinge gezeigt. Informationen waren da nur schwer zu filtern und auch oft widersprüchlich.
Das hat es für mich auch sehr schwer gemacht alles zu verstehen und herauszufinden, was ist richtig, was ist falsch.
Vor allem habe ich auch gemerkt, dass viele dort auch medizinische Fragen stellen, die man eher mit einem Arzt abklären sollte. Ich halte das für kritisch, denn jeder Körper ist individuell und die meisten sind keine Mediziner.


Ich möchte hier nicht den Wert dieser Gruppen absprechen. Sie haben ihre Berechtigung. Doch man sollte sich auch bewusst machen, dass es dort Menschen gibt, die keine Grenzen oder Empathie kennen. Vielleicht meinen sie es nicht böse oder merken nicht, dass es herablassend rüber kommt. Doch es gibt auch welche, die es genau so meinen.


Ich hatte es gewagt meine Meinung zu dem Gespräch beim Bundestag (wer sich an die Petition erinnert vor etwa 2 Jahren im Sommer) zu äußern und dass ich es persönlich als niederschmetternd empfand, einige Aussagen des Arztes sehr arrogant und herablassend gegenüber mehrgewichtigen Personen und das Gefühl habe, es hat nichts gebracht.
Oh die Flut an Hasskommentaren war teils echt unter aller Kanone. Was ich mir doch herausnehmen würde, wer bin ich denn und ob ich je etwas für die Aufklärung getan hätte?
Excuse me…ich hatte die Petition fleißig mitgeteilt, dass sogar jemand von der SHG von der die Petition stammte, mir gedankt und mich eingeladen hatte zu ihnen zu stoßen und zum anderen: Selbst wenn ich nicht aufklären würde, dürfte ich dann etwa keine Meinung haben? Darf ich nur eine Meinung haben, wenn ich Summe X an Follower habe und einen bekannten Namen habe?
REALLY?
F*CK OFF!


Ich für mich habe ich entschieden ehrlich zu schreiben, ehrlich zu erzählen, wie es mir geht, wie hart der Weg ist, wie ich aussehe und kein alles ist toll und oh Kompri ist ja soooo schön.
Ich möchte meine Erfahrungen teilen für diejenigen, die auch am Anfang stehen, überfordert sind und Fragen haben, genau wie ich. Und vor allem möchte ich mithelfen aufzuklären.


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