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Freitag, 21. Juni 2024

Ihr geht mir auf den Sack - Kritik, Umgang und Meinungen





Morgens, halb 8 in Deutschland.
Tiktok wird geöffnet.

In der For You Page wird ein Video eingespielt von einer Booktokerin. In der Überschrift steht: 

„Seht es als persönlichen Angriff oder konstruktive Kritik. Mir Wurst.“
Aussage: „Ihr geht mir auf den Sack“.

Aha.
Warum?
Es geht um die Dark Romance Problematik und das einige das Genre kritisieren.

Aussage der Booktokerin: „Wisst ihr, was das eigentliche Problem ist? Ihr! […] Ich weiß nicht, ob ihr motorisch oder geistig eingeschränkt seid, dass ihr es nicht schafft ein Buch, was euch nicht gefällt einfach zuzuklappen und zur Seite zu legen. [….] Vor allem verstehe ich euren Drang nicht ständig überall euren Senf dazu zugeben wollen. […]“


Wo soll ich bei diesem Beitrag nur anfangen?

Ich dachte, dass wir inzwischen in einer Generation leben bei der wir das Thema Kritik, Meinung und Co kennen und wie man damit umgeht.
Aber manchmal sitze ich vor Instagram oder Tiktok und bekomme sowas, wie dieses Video eingespielt.
Manchmal ist es gut und wirklich sachlich.
Manchmal ist es aber auch sowas, wie da oben. Gaslighting. Andere sind Schuld.
Manchmal wird jedes Wort von Autoren und/oder Blogger auf die Goldwaage gelegt und zerrissen.
Manchmal wird Video um Video gesticht und auseinander genommen, was wer wie wo gesagt hat und wieso ein Wort im Buch den Boykott für einen Autoren sein soll nie wieder zu lesen!
Manchmal schließe ich dann auch die Apps und denke: Genug für heute.

Ich komme aus der Generation von Animexx.
Wer das nicht kennt: Animexx war die Anime und Manga Plattform der 2000. Der Ort für Fanarts, Fanfiktions, Cosplay, Con- und Fantreffen und erste Blogs.
Dort gab es vor über zehn Jahren schon das Thema: Wie schreibe ich Kommentare, Kritik und die Meinung.
Animexx war teils wirklich übel.
Wir hatten alles. Beleidigungen, Mobbing und vieles mehr.
Es gab richtiges Bashing und es wurden Romane getippt an Aussagen, Interpretationen und Beleidigungen, dass die Tastatur glühte.

Und das führt mich zu dem heutigen Beitrag.



Manchmal erinnert mich die Buchbubble an die Animexx Zeit als dieser Ort lebhaft war und voller Leute, die die gleichen Dinge mögen, nämlich Animes und Mangas. Nur, dass wir Bücher lieben.

Dass ich hier also das Thema aufgreife, ist zum einen den Punkt geschuldet, dass ich ohnehin vor hatte einen Beitrag zu schreiben über das Thema „Kommentare und Kritik“ und zum anderen, dass wir vielleicht mehr etablieren können auf einer Ebene mit Autoren und Bloggern zu kommunizieren.
Vor allem fällt mir vermehrt auf, dass Autoren darum bitten bloß keine negative Rezensionen möchten und auch andere Buchblogger sich dem anschließen und sagen, sie schreiben keine negative Kritik, wieso ihnen das Buch nicht gefallen hat.

Okay, aber warum?

Warum ist es inzwischen verpönt zu sagen, mir hat das Buch nicht gefallen, weil?
Sind wir nicht Buchblogger geworden, um anderen zu sagen, wie uns ein Buch gefallen oder nicht gefallen hat?

Ich verstehe, dass bei Autoren oft Verkaufsranking mit dran hängt beim großen A-Haus. Je schlechter die durchschnittliche Sternebewertung, desto weniger wird es angezeigt oder empfohlen.
Dazu kommt die Liebe und Arbeit, die in einem Buch steckt. Da ist es natürlich auch nicht leicht negative Kritik einfach so stehen zu lassen. Als Autor wird man nie jeden Geschmack zu 100% treffen können und nicht jeder Leser wird glücklich mit dem Buch sein. Wenn du das willst, wirst du als Autor nicht glücklich werden.

Doch gleichzeitig fühlt es sich - aus meiner Sicht - so an, dass man keine Kritik äußern darf, wenn einem als Leser das Buch nicht gefällt, weil andere Leser denken, man macht ihnen das Buch schlecht.
Wenn dir ein Buch gefallen hat und du es liebst, dann kann eine negative Kritik nicht dazu beitragen, es dir nicht schlecht machen. Dann kannst du eine andere Meinung dazu nicht akzeptieren oder verstehen.

Ich finde es persönlich wichtig, dass auch negative (sachliche!) Kritik geäußert wird und ehrliche Meinungen zu gelesenen Büchern geteilt werden. Denn nicht jedes Trope passt immer, nicht jeder Charakter bietet die erhoffte die Tiefe, nicht jedes Pairing bringt Gefühle mit sich. Manche Trigger sind heftiger als andere und all das sollte Platz finden dürfen und müssen!

Kein Platz sollten persönliche Beleidigungen, Bashing oder Hetzjagden bekommen oder ein Shaming, wieso man ein Buch abgebrochen hat und es doch lieber auf English lesen sollte. Wenn es nicht gepasst hat, hat es nicht gepasst.
Nicht jeder kann so gut English, dass man sich ein ganzes Buch reinziehen möchte.
Genauso dürfen Hörbücher auch zu gelesenen Bücher gehören. Ich finde diese Grunddiskussion, ob Mangas/Comics und Hörbücher als richtige Bücher gelten, leid.
Diese Diskussionen sind oft einfach sinnlos.

Dann haben wir auch noch den Punkt, dass sowohl Autoren, Blogger und Verlage Kritik einfach löschen und die Leute blockieren.

Ich erinnere mich an eine Kritik, die ich unter einem Post geschrieben habe, dass das Bild einer mythologischen Figur falsch ist, was sie genommen hat und dazu der Text stand „Das ist die wahre Gestalt von….“ . Nein, sorry ist es nicht.
Ich schrieb ihr eben als Kritik, dass es das nicht ist und eine andere Figur, was an bestimmten Punkten erkennbar war. Ich habe mir viel Mühe gegeben und es sachlich verpackt.
Die Bloggerin hat sich so angegriffen gefühlt, weil ich ihr gesagt habe, dass das die Figur XY ist und nicht die Protagonistenfigur aus dem Buch. Daraufhin bekam ich eine Nachricht, dass selbst die Autorin schon über mich lachen würde und sie meinen Kommentar löscht.

Why? Weil ich etwas sachlich kritisiert und richtig gestellt habe?

Denken wir mal ein paar Schritte weiter:
Diese Bloggerin soll das Buch bewerben.
Wenn die Figur so falsch dargestellt wurde und die Autorin sich mit darüber lustig macht, dass jemand das richtig stellen möchte, dann muss ich mich doch als potenzieller Leser fragen, wie gut hat die Autorin selbst recherchiert und macht sie lieber Werbung mit falschen Darstellungen, Hauptsache die Klicks stimmen und es macht Kashing in der Kasse? Oder zählt für sie die Qualität und Richtigkeit?
Wie richtig sind die Darstellungen der mythologischen Figuren und Aspekte in ihrem Buch?
Wenn sich darüber lustig gemacht wird oder schon falsche Werbung betrieben wird, dann sorry but no sorry, sehe ich davon ab es zu kaufen und die Autorin zu unterstützen. Vor allem, wenn ihr selbst nichts besseres einfällt als sich mit der Bloggerin lustig zu machen.
Das ist unseriös und unprofessionell.


Ein weiteres Beispiel sind die letzten Skandale von einem großen und einem kleinen Verlagshaus.
Die Kritiken zu der namentlichen Nennung einer Bloggerin in einem Buch und die Tatsache, dass sie daraufhin öffentlich an den Pranger gestellt wurde, Hassnachrichten bekam etc. und der Verlag keine Verantwortung übernahm, zeigt kein Verantwortungsbewusstsein.
Ebenso der Kleinverlag mit dem Plagiatsvorwurf. Jeder Kommentar in diese Richtung mit Kritik wurde gelöscht und die Blogger blockiert.
Es wurde nicht verstanden, was falsch gelaufen ist und grade bei Verlagen habe ich die Erwartung, dass damit besser umgegangen wird. Irgendwer hat dort seine Pressearbeit nicht verstanden.
Statt sich also damit richtig auseinander zu setzen und zu reflektieren, was falsch gelaufen ist, wie es in Zukunft besser geht und wie man auch Personen schützen kann, wurde jegliche Verantwortung von sich geschoben.

Es macht mich sauer, dass das der aktuelle Umgang mit Kritik ist. Es macht es auch schwer mit der Situation umzugehen.
Kaufe ich noch was aus diesem Verlag?
Unterstütze ich andere Autoren in diesem Verlag oder Schade ich damit lieber allen?

Es ist schwierig damit umzugehen, weil es in den Verlagen auch tolle Programme in der Vorschau gibt, die mich interessieren. 
Doch möchte ich jemanden unterstützen, der Plagiatsvorwürfe nicht richtig nach geht? Möchte ich jemanden unterstützen, der sich unprofessionell verhalten hat? 
Möchte ich jemanden unterstützen, der eine andere Person geschadet hat und keine Verantwortung trägt, dass diese psychisch fertig gemacht wurde wegen der Klarnamennennung?

Denn die Strategie ist bei letzterem einfach: 
Wir harren der Dinge aus und lassen Gras darüber wachsen. Irgendwann wird nicht mehr darüber gesprochen und die Kommentare hören auf.

Der Umgang mit Kritik ist nie einfach und oft ist man auch überfordert, fühlt sich wie gelähmt und auch angegriffen.
Es gibt Sender und Empfänger und wer schon mal Kommunikationsseminare belegt hat, weiß, dass es mehrere Arten des Senden und Empfangens gibt. Schlussendlich wissen wir nie, wie es beim Empfänger ankommt und wir können nur versuchen in eine sachliche Diskussion überzugehen.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Ja, manche Menschen (Blogger, Autoren und Verlage) sind kritikunfähig.

Allerdings ist es auch oft sehr einfach zu sagen, dass der andere kritikunfähig ist und sich nicht gleichzeitig damit auseinander setzen, ob die Aussage vielleicht angekommen ist.

Wann seid ihr das letzte Mal auf harte Kritik gestoßen?
War sie gut formuliert?



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